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Marktwirtschaftlicher Urknall: Währungs- und Wirtschaftsreform 1948

Hon.-Prof. Dr. Daniel Koerfer

1945 wird das besiegte Deutschland besetzt und geteilt. In der sowjetischen Zone beginnt sogleich unter sowjetischer Regie die Etablierung einer sozialistischen Wirtschaftsordnung. In den drei Westzonen behalten die Besatzungsmächte das Bewirtschaftungs- und Zuteilungssystem aus der NS-Zeit bei. Zugleich ist die von Hitler bedenkenlos inflationierte Währung massiv entwertet. Auf dem – verbotenen - Schwarzmarkt, durch Tauschhandel und Klauen suchen sich die Menschen das Notdürftigste zum Überleben zu sichern. Zigaretten ersetzen die alte Reichsmark als Zahlungsmittel. Angesichts der anhaltenden Not und vieler Tausender von Hungertoten legen Amerikaner und Briten Anfang 1947 ihre zwei Zonen zur Bizone zusammen – eine erste deutsche Wiedervereinigung. Von hier aus wird 1948 die für die Nachkriegszeit zentrale und ökonomisch entscheidende Doppelreform lanciert und durchgeführt: die Einführung der D-Mark, die vor allem unter amerikanischer Regie erfolgte und die Abschaffung der allermeisten Bewirtschaftungsregeln und des Bezugsscheinwesens, für die auf deutscher Seite Ludwig Erhard und sein Team verantwortlich zeichnen. Das von Erhard im Frankfurter Wirtschaftsrat im Juni 1948 eingebrachte „Leitsätzegesetz“ wird zum Grundgesetz der neuen Marktwirtschaft. Die Doppelreform von Währung und Wirtschaft wirkt wie ein marktwirtschaftlicher Urknall, der das Land über Nacht fundamental verändert und beträchtliche Energien freisetzt. Nachdem die anfänglichen Krisen überwunden sind, trägt die neue ökonomische Ordnung in den Folgejahren dazu bei, durch anhaltend hohen Wachstumsraten und spürbaren Wohlstandszuwachs für viele – schon Zeitgenossen sprechen von einem „Wirtschaftswunder“ – das junge politische System wirksam und nachhaltig zu unterfüttern.